Urteil Oberlandesgericht München vom 01.07.2003 - AZ: 25 U 2283/03

Das klageabweisende Urteil im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München vom 01. Juli 2003 stellt fest, dass ein Anspruch auf Auszahlung eines höheren Rückkaufswertes bzw. Erstattung der durch Zillmerung verrechneten Abschlusskosten bzw. Verteilung der Abschlusskosten über einen längeren Zeitraum nicht besteht. Damit bestätigt es das erstinstanzliche Urteil vom 06.02.2003 - Landgericht Traunstein, AZ.: 1 O 3674/02.

Die fraglichen Lebensversicherungsverträge waren am 12.03.2002 zum 01. Mai 2002 gekündigt worden. Weil der BGH am 09. Mai 2001 zwei Klauseln zur Ermittlung des Rückkaufswertes für unwirksam erklärt hatte, verlangten die Kläger eine Neuberechnung für den Rückkaufswert. Das beklagte Lebensversicherungsunternehmen lehnte dies jedoch ab; bereits vor der Kündigung übersandte es dazu mit Schreiben vom 11.02.2003 neue im Treuhänderverfahren geänderte Versicherungsbedingungen, nach denen die Rückkaufswerte seinerzeit korrekt berechnet wurden.

Die Kläger wiesen darauf hin, dass die streitgegenständliche Klausel für die Produktauswahl des potentiellen Versicherungsnehmers von erheblicher Bedeutung ist und sie möglicherweise im Falle des Vorliegens einer transparenten Klausel vom Vertragsschluss Abstand genommen hätten.

Das OLG München hielt die den alten intransparenten inhaltlich gleichen geänderten Klauseln für wirksam durch nachträgliche Ersetzung im Treuhänderverfahren gemäß § 172 Abs. 2 VVG zustandegekommen und stellt ausdrücklich ihre Transparenz fest. Das Verfahren der Verrechnung der Abschlusskosten durch Zillmern sei danach zulässig.

Die Regelung des § 5 a VVG zeige, dass der Gesetzgeber die Wirksamkeit des Vertrages bewusst nur bei besonders gravierenden Transparenzmängeln und auch dann nur zeitweilig in Frage stellt. Selbst wenn nämlich der Vertrag auf völlig intransparenter Grundlage abgeschlossen wurde, weil keine AVB und keine Verbraucherinformation ausgehändigt wurden, wird der Vertrag spätestens ein Jahr nach der ersten Prämienzahlung wirksam. Analog bleibe es auch bei Unwirksamkeit einer Klausel wegen Intransparenz wie hier beim materiellen Regelungsgehalt der formell intransparenten Klausel - für die dem Verwender angesichts der bisherigen Rechtsprechung und Gesetzeslage auch kein Vorwurf zu machen ist - die lediglich durch Klauselersetzung transparent zu fassen ist.

Die Revision ließ das OLG München nicht zu, weil kein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO besteht.


 

Wortlaut des Urteils des OLG München vom 01. Juli 2003 - 25 U 2283/03



AZ: 25 U 2283/03
1 O 3674/02 LG Traunstein

Verkündet an 01.07.2003

Oberlandesgericht München

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit


1. ********
2. ********
- Kläger und Berufungskläger -


gegen

******************


wegen Auskunft u. a.


erlässt der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richter am Oberlandesgericht Fuchs und Distler und die Richterin am Oberlandesgericht Bollmann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2002 folgendes


ENDURTEIL



I. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 06.02.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

25 U 2283/03


Auszug aus dem Protokoll vom 01. Juli 2003:

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Die Kläger beantragen:

I.
Das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 06.02.2003 wird aufgehoben.

II.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 1.) Auskunft über die Höhe des Rückkaufswertes für den Versicherungsvertrag mit der Nr. 01798961-19 zum 30.04.2002 zu erteilen, wie er sich ohne Berücksichtigung der Verrechnung der Abschlusskosten ergeben hätte.

III.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1.) den sich aus Ziffer l.) nach Auskunfterteilung ergebenden Betrag nebst Zinsen hieraus i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 30.04.2002 zu bezahlen.

IV.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, dem Kläger zu 2) Auskunft über die Höhe des Rückkaufswertes für den Versicherungsvertrag mit der Nr. 01798960-19 zum 30.04.2002 zu erteilen, wie er sich ohne Berücksichtigung der Verrechnung der Abschlusskosten ergeben hätte.

V.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) den sich aus Ziffer VI.) nach Auskunftserteilung ergebenden Betrag nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 30.04.2002 zu bezahlen;


hilfsweise


VI.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 1) Auskunft über die Höhe des Rückkaufswertes für den Versicherungsvertrag mit der Nummer 01798961/19 zum 30.04.2002 zu erteilen, wie er sich bei Verrechnung der Abschlusskosten über einen Zeitraum von 14 Jahren ergeben hätte.

VII.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) den sich aus Ziffer VI. ergebenden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 30.04.2002 zu bezahlen.

VIII.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 2) Auskunft über die Hohe des Rückkaufswertes für den Versicherungsvertrag mit der Nummer 01798960/19 zum 30.04.2002 zu erteilen, wie er sich bei Verrechnung der Abschlusskosten über einen Zeitraum von 14 Jahren ergeben hätte.

IX.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) den sich aus Ziffer Vlll ergebenden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 30.04.2002 zu zahlen.


Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.


II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Senat nimmt in vollem Umfang auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils Bezug, welche durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet wird.

§ 172 VVG ist nach zutreffender Ansicht, welcher sich der Senat anschließt, auf alle Lebensversicherungen und nicht nur auf die Risikolebensversicherung anzuwenden.

Entgegen der Ansicht der Kläger war die Einbeziehung der neuen Bedingungen auch zur Fortführung der Verträge der Kläger notwendig. Diese wurden gemäß Schreiben der Beklagten vom 11.02.2002 (Anl. B 5 und B 6) und damit vor der durch die Kläger vorgenommenen Beitragsfreistellung vom 02.03.2002 (Anl. K 3 und K 5) sowie vor den jeweils am 12.03.2002 (Anl. K 4 und K 6) erklärten Kündigungen einbezogen. Eine Regelung über die Frage der Verrechnung von Abschlusskosten ist auch erforderlich. Eine solche Regelung ist Grundlage für die Berechnung der beitragsfreien Versicherungssummen und der Rückkaufswerte sowie mittelbar für die Überschussbeteiligung, die Prämienkalkulation, für das Provisionssystem und für die Bilanzierung (vgl. Wandt, VersR 2001, 1449 ff).

Die nunmehr getroffene Regelung der Verrechnung der Abschlusskosten ist ausgehend von den vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 09.05.2001 (IV ZR 121/00) aufgestellten Grundsätzen (dort Seite 22) hinreichend transparent, indem sie in der Klausel auf die Tabelle der garantierten Rückkaufswerte (Garantiewerttabelle) und zugleich im Wortlaut der Klausel auf die wirtschaftlichen Folgen der Verrechnung der Abschlusskosten hinweist. Dieser Hinweis ist ausreichend deutlich, nachdem dort ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass durch das Verrechnungsverfahren in der Anfangszeit der Versicherung keine Beiträge zur Bildung der beitragsfreien Rente oder für einen Rückkaufswert vorhanden sind (§ 151 c).

Das verfahrensgegenständliche Verrechnungsverfahren (sog. Zillmern) ist auch grundsätzlich zulässig und weicht nicht von einem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in unangemessener Weise ab (BGH a.a.O., S 21), weshalb auch der Hilfsantrag des Berufungsklägers unbegründet ist.

Die Kläger weisen zwar zu Recht darauf hin, dass die streitgegenständliche Klausel auch für die Produktwahl des potentiellen Versicherungsnehmers von erheblicher Bedeutung ist und er möglicherweise im Falle des Vorliegens einer transparenten Klausel vom Vertragsschluss Abstand genommen hätte. Die Regelung des § 5 a VVG zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber die Wirksamkeit des Vertrages bewusst nur bei besonders gravierenden Transparenzmängeln und auch dann nur zeitweilig in Frage stellt. Nach § 5a Abs. 2 S. 4 VVG wird ein Vertrag spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie wirksam, selbst wenn er auf völlig intransparenter Grundlage abgeschlossen wurde, weil die gesamten AVB nicht ausgehändigt oder sonstige Verbraucherinformation unterlassen wurden. Wenn daher eine für die Produktwahl relevante AVB-Bestimmung formell intransparent ist, ohne dass die Erheblichkeitsschwelle des § 5 a VVG erreicht ist und ohne dass dem Klauselverwender angesichts der bisherigen Rechtsprechung und Gesetzeslage ein Vorwurf zu machen ist, dann bleibt es bei dem unbeanstandeten materiellen Regelungsgehalt der Klausel, die lediglich transparent zu fassen ist (vgl. Wandt, a.a.O.). So liegt es hier.

Daher war die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO (Kosten) und §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO besteht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, da keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, die höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde, vorliegt, noch durch die Entscheidung Rechtsfragen angesprochen werden, die der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen.
 


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