Urteil Landgericht Wiesbaden vom 27.06.2003 - AZ: 7 S 2/03

Das klageabweisende Urteil im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Wiesbaden vom 27.06.2003 stellt fest, dass ein Anspruch auf Auszahlung eines höheren Rückkaufswertes bzw. Erstattung der durch Zillmerung verrechneten Abschlusskosten oder auf Rückzahlung der Prämien nicht besteht.

Der fragliche Lebensversicherungsvertrag (kapitalbildende Lebensversicherung) war zum 01. Februar 2003 gekündigt worden und seinerzeit ein Rückkaufswert ausgezahlt worden. Unter Hinweis die Urteile des Bundesgerichtshofs, in denen der BGH am 09. Mai 2001 zwei Klauseln zur Ermittlung des Rückkaufswertes für unwirksam erklärt hatte, verlangte der Kläger eine Neuberechnung für den Rückkaufswert. Das beklagte Lebensversicherungsunternehmen lehnte dies jedoch ab und übersandte dazu vorprozessual bzw. noch während des Gerichtsverfahrens neue im Treuhänderverfahren geänderte Versicherungsbedingungen, nach denen der Rückkaufswert seinerzeit korrekt berechnet wurde.

Die Klägerin brachte u. a. gerichtlich vor, dass das Treuhänderverfahren in diesem Zusammenhang nicht zulässig sei, insbesondere nicht rückwirkend und für bereits beendete Versicherungsverträge. Der Vertrag sei insgesamt nach § 6 Abs. 3 AGBG unwirksam, da ein Festhalten auch mit geänderten Klauseln der Klägerin nicht zuzumuten sei.

Das Landgericht Wiesbaden hielt dagegen die den alten intransparenten inhaltlich gleichen geänderten Klauseln für wirksam durch nachträgliche Ersetzung im Treuhänderverfahren gemäß § 172 Abs. 2 VVG zustandegekommen. Ein Festhalten am Vertrag stelle für die Klägerin keine unzumutbare Härte dar, so dass § 6 Abs. 3 AGB-Gesetz hier nicht anwendbar sei.

Auch für bereits beendete Verträge gelte: die Abwicklung eines Versicherungsvertrages nach seiner Beendigung sei ebenfalls eine Fortführung im Sinne des § 172 Abs. 2 VVG, so dass das Treuhänderverfahren auch hierauf anwendbar sei.

Die Norm des § 172 VVG solle es ermöglichen, die durch die Unwirksamkeit einer Klausel entstandene Regelungslücke in einer Unzahl von Versicherungsverträgen zügig, interessengerecht und mit gleicher Geltung für alle betroffenen Verträge wieder zu schließen. Die nachträglich durch das Treuhänderverfahren nachgeschobene Klausel sei danach rückwirkend zum Vertragsbeginn zugrunde zu legen. Solle sich die Änderungsmöglichkeit des § 172 VVG auf alle Verträge beziehen, dann müsse das auch für bereits abgewickelte Verträge gelten.

Das Landgericht Wiesbaden hat zu dieser Entscheidung keine Revision zugelassen, da der vorliegende Rechtsstreit in seiner konkreten Ausgestaltung keine grundsätzliche Bedeutung habe und durch die bereits ergangenen gerichtlichen und obergerichtlichen Entscheidungen eine Revisionsentscheidung zur Fortbildung des Rechtes oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sei.


 

Wortlaut des Urteils des LG Wiesbaden vom 27. Juni 2003 - 7 S 2/03



AZ: 7 S 2/03

Verkündet an 27.06.2003

Landgericht Wiesbaden

Urteil

IM NAMEN DES VOLKES

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden - Az.: 92 C 3491/02 - vom 6.11.2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.



G r ü n d e:

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 6.11.2000.

Die Klägerin stützt ihre Berufung im wesentlichen darauf, dass das Amtsgericht bei seiner Entscheidung § 6 Abs. 2 AGB-Gesetz in Verbindung mit § 176 VVG und nicht § 6 Abs. 3 AGB-Gesetz angewandt habe.

Ergänzend behauptet die Klägerin in der Berufungsbegründung, dass sie den Versicherungsvertrag mit Fax vom 17.12.2001, das unter diesem Datum auch in die Sphäre der Beklagten gelangt sei, gekündigt habe. Hinsichtlich der geleisteten Zahlungen behauptet die Klägerin in der Berufungsinstanz, dass sie 27 Beitrage zu 183,12 Euro an die Beklagte gezahlt habe.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.944,24 Euro nebst 7 % Zinsen seit dem 1.2.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.



II.

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da das Amtsgericht mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen hat, Es kann offen bleiben, ob die Klägerin überhaupt berechtigt ist, Rückforderungsansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Nach den unstreitigen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils waren die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten an die ************ abgetreten. Zu einer eventuell erfolgten Rückübertragung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an, da der Klägerin aus den zutreffenden Gründen des Urteils des Amtsgerichts auch der Sache nach keine Ansprüche bei gegebener Aktivlegitimation zustehen. Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Forderung ist zunächst zu berücksichtigten, dass aufgrund der erfolgten Kündigung unstreitig an die Klägerin ein Betrag von 566,72 Euro zurückgezahlt wurde. Um diesen Betrag verringert sich eine mögliche Forderung der Klägerin in jedem Falle. Der Klägerin steht aber auch hinsichtlich des restlichen Differenzbetrages kein Zahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt der Rückabwicklung des gekündigten Vertrages oder aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in dem Urteil des Amtsgerichts verwiesen werden.

Ergänzend ist auszuführen, dass die nach § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG für den Vertrag rückwirkend geltenden allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung wegen Intransparenz der in § 5 und § 14 aufgeführten Umstände unwirksam sind. Dies ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Zudem hätte andernfalls die Beklagte die entsprechenden Regelungen in den allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht nach § 172 Abs. 2 VVG ersetzt. Entgegen der Berufungsbegründung ist jedoch davon auszugeben, dass sich die Rechtsfolge aufgrund der gegebenen Unwirksamkeit von einzelnen Bestimmungen der allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht auf den Bestand des Vertrages insgesamt auswirkt. § 6 Abs. 3 AGB-Gesetz findet insoweit keine Anwendung, da das Festhalten an dem Lebensversicherungsvertrag auch unter Berücksichtigung der nach § 6 Abs. 2 AGBG vorgesehenen Änderungen keine unzumutbare Härte für die Klägerin darstellen würde. Vielmehr ist nach § 6 Abs. 2 AGBG die durch die Unwirksamkeit der einzelnen Klauseln aufgetretene Lücke zu schließen. Zutreffend hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass auf die gesetzliche Regelung in § 176 VVG zurückgegriffen werden könne und die eigentliche Berechnung der Höhe des Rückkaufwertes von der Klägerin nicht angegriffen wurde. Darüber hinaus vertritt das Berufungsgericht die Ansicht, dass durch das durchgeführte Treuhandverfahren nach § 172 Abs. 2 VVG die unwirksamen Bedingungen durch wirksame Bedingungen zur Kapitallebensversicherung ersetzt wurden. Ein solches Verfahren erlaubt es der Versicherung, neue Klauseln auch ohne Zustimmung der Versicherten in die Verträge einzubeziehen. § 172 Abs. 2 VVG setzt voraus, dass die Klauselersetzung durch den Versicherer zur Fortführung des Vertrages notwendig ist. Im Falle der Unwirksamkeit von Klauseln in Lebensversicherungsverträgen sieht § 172 Abs. 1 und 2 VVG vor, durch einen unabhängigen Treuhänder der Vielzahl von Verträgen eine einheitliche und möglichst zügige Lückenfüllung zu erreichen. Das Gericht hält die Durchführung eines derartigen Ergänzungsverfahrens grundsätzlich auch im Interesse der Rechtssicherheit der Versicherten bei allen Arten der Lebensversicherung für zulässig (vgl. OLG Stuttgart Vers.-Recht 2001, 1141 ff.). Die Ersetzung der streitgegenständlichen Klauseln ist für die Fortsetzung des Vertrages auch notwendig im Sinne von § 172 Abs. 2 VVG. Nach Ansicht des Berufungsgerichts geht § 172 Abs. 2 VVG als Spezialvorschrift der Regelung in § 6 Abs. 2 AGB-Gesetz vor (Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 172 Rdnr. 6). Die Beklagte hat aufgrund der Durchführung des Treuhänderverfahrens neue wirksame Bedingungen geschaffen, die zwei Wochen nach Zugang der Neubedingungen wirksam geworden sind und die dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag rückwirkend zum Vertragsbeginn zugrunde zu legen sind (OLG Stuttgart, Vers.-Recht 2001, 1141 ff.). Insoweit ist es auch nicht erheblich, dass der Klägerin die Änderungen der allgemeinen Versicherungsbedingungen nach § 172 Abs. 2 VVG unter Umständen erst nach dem Zugang der Kündigung bei der Beklagten bekannt geworden sind. Die Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen werden nach § 172 Abs. 3 VVG nach dem dort vorgesehenen Zeitablauf von zwei Wochen nach Benachrichtigung des Versicherungsnehmers wirksam. Der Klägerin sind die jeweiligen Unterlagen betreffend dem Treuhänderverfahren spätestens während des vorgerichtlichen Schriftwechsels zwischen den Prozessvertretern der Klägerin und der Beklagten bzw. im Rahmen dieses Rechtsstreits zugegangen, mit der Folge, dass die ersetzenden Versicherungsbedingungen mittlerweile wirksam geworden sind. Der Versicherungsvertrag befindet sich vorliegend auch noch im Abwicklungsstadium, da die Klägerin die Rückzahlung sämtlicher Prämien als Form des Rückkaufswertes ohne Berücksichtigung der Abschlusskosten verlangt. Auch das Abwicklungsstadium eines Versicherungsvertrages fällt unter den Begriff der Fortführung des Vertrages im Sinne von § 172 Abs. 2 VVG. Dafür spricht der Zweck des § 172 VVG. Die Norm soll es ermöglichen, die durch die Unwirksamkeit einer Klausel entstandene Regelungslücke in einer Unzahl von Versicherungsverträgen zügig, interessengerecht und mit gleicher Geltung für alle betroffenen Verträge wieder zu schließen. Die nachträglich durch ein Treuhandverfahren nachgeschobene Klausel ist danach rückwirkend zum Vertragsbeginn zugrunde zu legen. Soll sich die Änderungsmöglichkeit des § 172 VVG auf alle Verträge beziehen, dann muss das auch für bereits abgewickelte Verträge gelten. Da der Klägerin im Ergebnis bei Zugrundelegung der geänderten Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein höherer Rückkaufswert nicht zusteht als von der Beklagten bereits gezahlt worden ist, besteht auch kein weiterer Zahlungsanspruch der Klägerin. Dies ergibt sich aus § 176 Abs. 4 VVG in Verbindung mit den neuen einschlägigen Regelungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Ein weitergehender sonstiger Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge ist für den Fall der Kündigung nach § 5 Abs. 6 der Allgemeinen Bedingungen für kapitalbildende Lebensversicherungen ausgeschlossen. Diese Bestimmung war und ist uneingeschränkt wirksam. Die Berufung war deshalb umfassend zurückzuweisen.

Die Revision war nach § 543 ZPO nicht zuzulassen, da der vorliegende Rechtsstreit in seiner konkreten Ausgestaltung keine grundsätzliche Bedeutung hat und durch die bereits ergangenen gerichtlichen und obergerichtlichen Entscheidungen eine Revisionsentscheidung zur Fortbildung des Rechtes oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erfordert.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708, 711, 713 ZPO.
 


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