Urteil Landgericht Saarbrücken vom 01.07.2003 - AZ: 14 O 20/03

Das klageabweisende Urteil im Verfahren vor dem Landgericht Saarbrücken vom 01. Juli 2003 stellt fest, dass ein Anspruch auf Auszahlung eines höheren Rückkaufswertes bzw. Erstattung der durch Zillmerung verrechneten Abschlusskosten nicht besteht.

Die fraglichen Lebensversicherungsverträge (einschließlich einer fondsgebundenen) bzw. Rentenversicherungsverträge waren zum 01. April 2001 bzw. zum 01. Juli 2002 gekündigt worden und seinerzeit ein Rückkaufswert ausgezahlt worden, soweit sich bei den Verträgen ein Rückkaufswert ergeben hatte. Nachdem der BGH am 09. Mai 2001 zwei Klauseln zur Ermittlung des Rückkaufswertes für unwirksam erklärt hatte, verlangte der Kläger eine Neuberechnung für den Rückkaufswert. Das beklagte Lebensversicherungsunternehmen lehnte dies jedoch ab und übersandte dazu mit Schreiben vom 10.02.2003 jeweils neue im Treuhänderverfahren geänderte Versicherungsbedingungen, nach denen die Rückkaufswerte seinerzeit korrekt berechnet wurde.

Der Kläger brachte gerichtlich nicht vor, dass auch diese geänderte Fassung wegen mangelnder Transparenz unwirksam sei, jedoch sei das Treuhänderverfahren in diesem Zusammenhang nicht zulässig, insbesondere nicht rückwirkend und für bereits beendete Versicherungsverträge.

Das Landgericht Saarbrücken hielt dagegen die den alten intransparenten inhaltlich gleichen geänderten Klauseln für wirksam durch nachträgliche Ersetzung im Treuhänderverfahren gemäß § 172 Abs. 2 VVG zustandegekommen.

Auch für bereits beendete Verträge gelte: die Abwicklung eines Versicherungsvertrages nach seiner Beendigung sei ebenfalls eine Fortführung im Sinne des § 172 Abs. 2 VVG, so dass das Treuhänderverfahren auch hierauf anwendbar sei.

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass § 172 Abs. 2 VVG auf bereits gekündigte und durch Abrechnung abgewickelte Verträge nicht anwendbar sei, fielen die streitgegenständlichen Klauseln nicht ersatzlos weg mit der Folge, dass keine Abschlusskosten berechnet werden dürften. Vielmehr sei dann die durch die Unwirksamkeit der Klauseln entstandene Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, weil ein ersatzloser Wegfall keine interessengerechte Lösung darstellt. Es sei davon auszugehen, dass die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der intransparenten Klauseln diese durch transparente gleichen Inhalts ersetzt hätten.


 

Wortlaut des Urteils des LG Saarbrücken vom 01. Juli 2003 - 14 O 20/03



AZ: 14 O 20/03

Verkündet an 01.07.2003

Landgericht Saarbrücken

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit


hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 3.6.2003 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Wolff als Einzelrichterin

für Recht erkannt:


I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Dem Kläger wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Berechnung der Rückkaufswerte verschiedener bei der Beklagten zugunsten des Klägers abgeschlossener Lebensversicherungsverträge.

Bei dem Vertrag Nr. 4.3926795.33 handelte es sich um eine Rentenversicherung, die am 1.9.1998 zu laufen begonnen hatte und der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung zugrunde lagen. Der Kläger kündigte den Vertrag zum 1.7.2002. Die Beklagte nahm mit Schreiben vom 26.6.2002 (Bl. 5 d. A.) die Abrechnung vor und zahlte einen Rückkaufswert von 7.500,60 Euro aus. Mit Schreiben vom 10.2.2003 (Bl. 75 d. A.) wurde dem Kläger eine Fassung der geänderten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung (AVB REN 0497) (Bl. 77 ff. d. A.) übermittelt.

Bei dem Vertrag Nr. 2.1267609.90 handelte es sich um eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Versicherungsbeginn war der 1.8.1999. Mit Schreiben vom 28.2.2001 (Bl. 14 d. A.) kündigte der Kläger den Vertrag zum 1.4.2001. Ein Rückkaufswert war nach der Berechnung der Beklagten nicht vorhanden. Mit Schreiben vom 10.2.2003 (Bl. 16 d. A.) übersandte die Beklagte dem Kläger eine Neufassung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung (AVB KLV 04.97) (Bl. 113 ff. d. A.).

Bei dem Vertrag Nr. 6.1388136.46 handelte es sich um eine Fondsgebundene Lebensversicherung, die am 1.11.1999 zu laufen begann und der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung (Bl. 133 ff. d. A.) zugrunde lagen. Mit Schreiben vom 28.2.2001 kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag. Ein Rückkaufswert ergab sich nach der Berechnung der Beklagten nicht. Mit Schreiben vom 10.2.2003 übermittelte die Beklagte dem Kläger geänderte Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung nach Tarif 8 FLG und 8 FLGT (Bl. 146 ff. d. A.).

Der Vertrag Nr. 6.1473231.47 war von der Firma F****** W**** GmbH auf den Todes- und Erlebensfall des Klägers abgeschlossen worden. Versicherungsbeginn war der 1.12.1999. Die Versicherungsnehmerin kündigte den Vertrag zum 1.12.2002. Mit Abtretungserklärung vom 12.9.2002 (Bl. 220 d. A.) hat die Firma F****** W**** GmbH sämtliche Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. 6.1473231.47 an den Kläger abgetreten.

Bei allen streitgegenständlichen Versicherungsverträgen waren die Abschlusskosten von der Beklagten aufgrund entsprechender Klauseln in den vereinbarten Versicherungsbedingungen ab Beginn des Vertragsverhältnisses mit den ersten Beiträgen verrechnet worden.

Der Bundesgerichtshof erklärte durch zwei Urteile vom 9. Mai 2001 (VersR 2001, S. 839 ff. und S. 1052 ff.) die den Rückkaufswert und die Abschlusskosten regelnden Klauseln in Versicherungsbedingungen, die mit den vorliegend verwendeten vergleichbar sind, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die im Rahmen der streitgegenständlichen Versicherungsverträge vereinbarten Klauseln betreffend die Abschlusskosten im Hinblick auf diese Rechtsprechung unwirksam sind.

Im Hinblick auf die Urteile des Bundesgerichtshofs erteilte das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen mit Rundschreiben vom 10.10.2001 an alle zum Direktversicherungsgeschäft in Deutschland befugten Lebensversicherungsunternehmen Hinweise zur Unwirksamkeit von Allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Lebensversicherung. Die Beklagte hat daraufhin Neufassungen ihrer Allgerneinen Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung, für die kapitalbildende Lebensversicherung und für die Fondsgebundene Lebensversicherung vorgenommen (BI. 77 ff., Bl. 113 ff., Bl. 146 f.). Den Neufassungen der Bedingungen hat ein unabhängiger Treuhänder im Treuhänderverfahren gemäß § 172 Abs. 2 VVG zugestimmt.

Mit seiner Stufenklage begehrt der Kläger unter Berufung auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs die Neuberechnung der Rückkaufswerte für die oben genannten Versicherungsverträge und Auszahlung eines sich ergebenden Differenzbetrages.

Er ist der Ansicht, die der Berechnung der Rückkaufswerte zugrundegelegten Klauseln zur Berechnung der Abschlusskosten seien intransparent und damit unwirksam, weshalb die Verrechnung der Abschlusskosten durch die Beklagte ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Die Beklagte sei verpflichtet, die zu Unrecht verrechneten Abschlusskosten zu erstatten und die Rückkaufswerte neu zu berechnen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1.
dem Kläger Auskunft zu erteilen über die Höhe der Rückkaufswerte, die sich ohne Verrechnung der Abschlusskosten für die Versicherungsverträge mit den Nummern 2.1267609.90, 6.1388136.46 und 6.1473231.47 zum 31.3.2001 sowie für den Versicherungsvertrag Nr. 4.3926795.33 zum 1.7.2002 ergeben hätte,

2.
an den Kläger die sich aus Ziff. l. ergebenden Beträge nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, sie habe die unwirksamen Klauseln gemäß § 172 Abs. 2 VVG im Treuhänderverfahren wirksam ersetzt. Davon seien auch die bereits gekündigten Verträge erfasst worden. Das angewendete sog. Zillmerverfahren, bei dem die einmaligen Abschlusskosten ab Beginn des Vertragsverhältnisses mit Ansprüchen auf künftige Beiträge verrechnet werden, sei rechtlich unbedenklich. Es entspreche den beiderseitigen Interessen der Vertragspartner und den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik im Sinne von § 176 Abs. 3 VVG. Auch bei einem völligen Wegfall der Klauseln zur Abschlusskostenverrechnung würde sich kein anderer gesetzlicher Zeitwert im Sinne von § 176 Abs. 3 VVG ergeben, als von der Beklagten für die streitgegenständlichen Versicherungsverträge errechnet.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.



Entscheidungsgründe:

Die in zulässiger Weise erhobene Stufenklage auf Auskunfterteilung und Zahlung des sich aufgrund der Auskunft ergebenden Betrages ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Zahlung eines Rückkaufswertes aus den Versicherungsverträgen Nr. 2.1267609.90, 6.1388136.46 und 6.1473231.47 noch ein Anspruch auf Zahlung eines weiteren Rückkaufwertes aus dem Versicherungsvertrag Nr. 4.3926795.33 gemäß § 812 BGB zu, wie er sich jeweils ohne Abzug der verrechneten Abschlusskosten ergeben würde. Infolgedessen kann auch das mit dem Klageantrag zu l. geltend gemachte Auskunftsbegehren keinen Erfolg haben, weshalb die Klage insgesamt abzuweisen war.

Die Beklagte ist nicht auf Kosten des Klägers um die Abschlusskosten ungerechtfertigt bereichert, die sie nach dem sog. Zillmerverfahren zu Lasten des Klägers verrechnet hat.

Zwar gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Klauseln gemäß § 18 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung (Bl. 69 d.A.), die Inhalt der Versicherungsvertrages Nr.4.3926795.33 sind, gemäß § 19 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung (Bl. 106 d.A.), die Inhalt der Versicherungsvertrages Nr. 2.1267609.90 sind, sowie gemäß § 22 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung nach Tarif 8FLG und 8FLGT (Bl. 140 d.A.), die Inhalt der Versicherungsverträge Nr. 6.1388136.46 und Nr. 6.1473231.47 sind, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, veröffentlicht in VersR 2001, 839 und 841 ff, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sind.

Das hat jedoch entgegen der Ansicht des Klägers nicht zur Folge, dass die Rückkaufswerte zu den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen ohne Verrechnung der Abschlusskosten zu ermitteln sind.

Die Beklagte hat nämlich unter Berücksichtigung dieser Entscheidungen die unwirksamen Klauseln wirksam unter Mitwirkung eines Treuhänders durch geänderte Klauseln ersetzt, die - wie zwischen den Parteien nicht umstritten - den Anforderungen an das Transparenzgebot genügen. Während im Falle der Nichtigkeit einer AGB-Klausel gemäß § 6 Abs. 2 AGBG die entstandene Vertragslücke durch dispositives Recht bzw. ergänzende Vertragsauslegung gefüllt wird, sieht § 172 II VVG für den Fall, dass in den Versicherungsbedingungen der Lebensversicherung eine Bestimmung unwirksam ist, eine entsprechende Anwendung der Bestimmung des § 172 Abs. 1 VVG vor, wenn zur Fortführung des Versicherungsvertrages dessen Ergänzung notwendig ist. Die durch die Unwirksamkeit einer Klausel entstandene Lücke wird danach durch einseitige Erklärung des Versicherers mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders gefüllt.

Dieses Verfahren hat die Beklagte unstreitig durchgeführt.

Die Klauselersetzung war auch notwendig im Sinne von § 172 Abs. 2 VVG. Die Notwendigkeit einer Klauselersetzung im Treuhänderverfahren setzt voraus, dass die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel, die dem Klagebegehren allein zum Erfolg verhelfen könnte, keine angemessene, den typischen Interessen des Klauselverwenders und des Kunden Rechnung tragende Lösung ist. Davon ist vorliegend hinsichtlich der zwischen den Parteien allein streitigen Abschlusskostenregelung auszugehen, die eine wichtige Grundlage für die Berechnung der Rückkaufswerte, der beitragsfreien Versicherungssummen und mittelbar für die Überschussbeteiligung, die Prämienkalkulation, für das Provisionssystem und für die Bilanzierung darstellt.

Die Einbeziehung der neuen Bedingungen in die streitgegenständlichen Verträge ist unstreitig durch drei Schreiben der Beklagten vom 10.2.2003 erfolgt. Sie ist auch wirksam geworden, obwohl die streitgegenständlichen Versicherungsverträge zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigt waren. Denn gekündigte Verträge befinden sich noch im Abwicklungsstadium, solange der Versicherungsnehmer — wie vorliegend - Ansprüche daraus herleitet. Der Begriff der „Fortführung des Vertrages“ im Sinne von § 172 Abs. 2 VVG erfasst nach Ansicht des Gerichts auch solche Verträge (so auch LG Stuttgart 13 S 86/02 Urteil vom 11.12.2002).

Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass § 172 Abs. 2 VVG auf bereits gekündigte und durch Abrechnung rückabgewickelte Verträge keine Anwendung findet, fallen die streitgegenständlichen Klauseln nicht ersatzlos weg mit der Folge, dass die Beklagte keine Abschlusskosten berechnen dürfte. In diesem Fall ist die durch die Unwirksamkeit der Klauseln jeweils entstandene Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, weil ein ersatzloser Wegfall keine interessengerechte Lösung darstellt. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit der intransparenten Klauseln diese durch transparente gleichen Inhalts ersetzt hätten. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist klar, dass durch den Vertragsabschluss Kosten entstehen, die zumindest teilweise von den Versicherungsnehmern zu tragen sind. Die volle Belastung des Versicherungsvertrages mit den Abschlusskosten bereits in den ersten Versicherungsjahren ist üblich und eine von den Versicherungsunternehmen seit Jahrzehnten praktizierte Methode, die den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik entspricht. Dass der Kläger sich mit einer solchen Regelung nicht einverstanden erklärt hätte, wenn sie in einer transparenten Klausel enthalten gewesen wäre, behauptet er nicht. Das kann auch nicht angenommen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11 , 711 ZPO.
 


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