Allianz rechnet Lebenserwartung schön –

Zur Untersuchung der Psychonomics AG zur Vorsorgementalität in Deutschland

Allianz beklagt in einer am 17. August 2005 veröffentlichten Untersuchung der Psychonomics AG, dass die deutschen Männer ihre Lebenserwartung um durchschnittlich 8 Jahre, Frauen sogar um 13 Jahre unterschätzen. Während die Befragten im Durchschnitt damit rechneten, 78 Jahre zu leben, sei die „realistische Lebenserwartung“ der Männer 86 Jahre und der Frauen 91 Jahre. Dabei beruft sich Psychonomics auf Ergebnisse der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) aus dem Jahr 2004.

Lebenserwartung liegt laut DAV in der privaten Rentenversicherung über Bundesdurchschnitt

Die DAV hatte damals jedoch gar nicht die Lebenserwartung der Deutschen untersucht. Vielmehr interessierte sie die Sterblichkeit in den Rentenversicherungsbeständen der Versicherer. Deren Lebenserwartung – aus Statistiken der Münchener Rück und der Gen Re hergeleitet - lag aber bereits für die Periode 1999 bei Männern um knapp 5 und bei Frauen um ca. 3 Jahre über der Lebenserwartung des deutschen Bevölkerungsdurchschnitts.

Wie die Deutsche Aktuarvereinigung - DAV - feststellte, resultiert dies aus der positiven Auslese in Rentenversicherungstarifen. Rentenversicherungen werden nämlich vornehmlich von Höherverdienenden mit längerer Lebenserwartung und von Gesünderen abgeschlossen. Dazu kommt, dass zum Rentenbeginn nochmals eine sogenannte „Selektion“ wirkt, weil Versicherte mit pessimistischer Einschätzung ihres Gesundheitszustands statt der Rente eine Kapitalabfindung wählen.

Rechnet man nur diesen Effekt heraus, so ergibt sich tatsächlich nur eine realistische Lebenserwartung von 81 Jahren bei den befragten Männern und 88 Jahren bei Frauen. Männer unterschätzen also ihre Lebenserwartung nicht um 8, sondern nur um 3 Jahre, Frauen immerhin noch um 10 statt 13 Jahre.

Doch wie kommt es zu dieser Fehleinschätzung der Befragten?

Statistisches Bundesamt rechnet Lebenserwartung ohne Zukunftstrend

Die letzte Pressemitteilung des statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2004 wies auf die gestiegene Lebenserwartung hin. Sie gab diese aufgrund der Sterbetafel 2001/2003 mit 76 Jahren bei neugeborenen Männern und 81 Jahren bei Frauen an. Dies stimmt also recht gut mit der Selbsteinschätzung der von Psychonomics Interviewten überein.

Doch diese Zahlen sind erst recht unrealistisch, denn sie berücksichtigen nicht den langfristigen Trend zur künftigen Verbesserung der Lebenserwartung. Genau den hat aber die Deutsche Aktuarvereinigung in ihren Zahlen realistisch eingerechnet, auch wenn er natürlich nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden kann.

Das statistische Bundesamt unterstellt nämlich bei seiner Ermittlung der Lebenserwartung, dass ein heute Neugeborene z. B. mit 70 genau die gleiche Sterbewahrscheinlichkeit hat wie ein heute 70jähriger. Der gesamte Trend des medizinischen Fortschritts bis zum Jahr 2075 bleibt dabei unberücksichtigt. Deshalb sind die vom statistischen Bundesamt veröffentlichten Lebenserwartungen letztlich viel zu niedrig.

Aktuare kalkulieren Prämien noch vorsichtiger

Für die Beitragsermittlung rechnen die Aktuare bei Rentenversicherungen sogar mit noch höheren Lebenserwartungen als realistisch zu erwarten, um möglichst auf der sicheren Seite zu liegen. Daher stellt sich die Frage, für wen eine private Rentenversicherung lohnt. Denn natürlich wird die „Rendite“ einer Rentenversicherung umso niedriger, je weniger Renten - bis zum Tod - gezahlt werden.

Wenn also der potentielle Kunde persönlich an eine hohe Lebenserwartung glaubt, ergibt sich für ihn auch eine entsprechend hohe Renditeerwartung seiner privaten Rentenversicherung. Die abweichende Lebenserwartung von Rentenversicherten und Bevölkerung zeigt, dass Kunden genau solche Überlegungen erfolgreich bei Ihrer Entscheidung für oder gegen eine private Rentenversicherung in Betracht ziehen. Für Kurzlebige ist die private Rentenversicherung ein Verlustgeschäft.

Rendite der Rentenversicherung

Für einen Einmalbeitrag von 100.000 EUR erhält ein 65jähriger Mann monatlich lebenslang bei guten Anbietern ca. 515,-- EUR garantierte Rente, eine gleichalte Frau 447,-- EUR. Rechnen beide nur mit einer Lebenserwartung von 78 Jahren, so werden die Renten jeweils 13 Jahre lang gezahlt, insgesamt also 156 Monatsrenten bzw. 80.340,-- EUR bei Männern bzw. 69.732,-- EUR bei Frauen. Das wäre ein klares Verlustgeschäft mit einer Minusrendite von 3,2% bzw. 5,1%.

Mit einer realistischen Lebenserwartung für den Bevölkerungsdurchschnitt von ca. 81 Jahren bei Männern bzw. 88 Jahren bei Frauen wird die Rente dagegen 16 Jahre bzw. 23 Jahre lang gezahlt. Aber auch dann ist die Rendite bei Männern noch mit 0,1 % im negativen Bereich; bei Frauen beträgt sie immerhin 1,9 %. Wer dagegen damit rechnet, so lange zu leben, wie es realistisch der hohen Lebenserwartung in der privaten Rentenversicherung entspricht, der bezieht als Mann 21 Jahre und als Frau 26 Jahre lang Renten. Dann steigt die Rendite sogar auf ca. 2,7 %. Ein Zuschlag aus der Überschussbeteiligung kann dies evtl. noch etwas aufbessern.

Für den Verkauf von Rentenversicherungen ist ganz entscheidend, den Kunden von einer hohen Lebenserwartung zu überzeugen. Dabei ist es schnell geschehen, dass seriöse Ergebnisse des Berufsverbandes der Aktuare ohne Klarstellung unsachgemäß verwendet werden.

Leistungen des Sachverständigen

Das Sachverständigenbüro Schramm ist mit Privat- und Gerichtsgutachten zu Ablaufleistungen, Überschussbeteiligungen und Rückkaufswerten in der Lebensversicherung, Beitragsanpassungen und Tarifwechseln in der PKV sowie mit sonstiger versicherungsmathematischer Gutachtertätigkeit, Recherchen und Auftragsforschung befasst und führt Seminare und Schulungen zu versicherungsmathematischen Themen für Verbraucherberater, Makler und Vermittler durch.

21. August 2005

Dipl.-Math. Peter Schramm
Aktuar DAV

Sachverständiger für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung
öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main
 


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